Gesundheitsmanagement

10. Juli 2025


Gesundheitsförderung hat nichts mit Obstkörben zu tun

„Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.

– Arthur Schopenhauer

In vielen Unternehmen ist das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) eine Art freundliches Nebenprojekt. Irgendwo zwischen Feelgood und Pflichtprogramm, angesiedelt in HR, gelegentlich unterstützt durch externe Dienstleister, oft ohne klaren Kompass. Dabei geht es bei Gesundheit längst nicht mehr um die Frage, ob jemand sich bei der Rückengymnastik anmeldet. Es geht um Leistungsfähigkeit, um Motivation, um Resilienz. Und damit: um strategische Wettbewerbsfähigkeit.

Wer Gesundheit ernst nimmt, muss aufhören, sie als Zusatzangebot zu betrachten. Sie ist ein Spiegel der Kultur und eine strategische Führungsaufgabe. Und HR hat den Schlüssel in der Hand.

Was Gesundheit im Unternehmen heute bedeutet

Wir leben in Zeiten, in denen psychische Belastungen zunehmen, hybride Arbeit neue Anforderungen schafft und der Fachkräftemangel das Thema „Employability“ zur Dauerbaustelle macht. Gesundheitsförderung ist kein Goodie – sie ist Teil des Produktivitätsmanagements. Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, unter denen Menschen gesund arbeiten können. Nicht darum, ob sie „wollen“.

In einem unserer Kundenprojekte bei einem mittelständischen Energieversorger wurde genau das deutlich. Die Krankenquote war hoch, der Krankenstand stieg seit Jahren. Es gab zwar Angebote – aber niemand nutzte sie. Erst eine systematische Analyse brachte Licht ins Dunkel: Die Belastung entstand nicht durch zu wenig Yoga, sondern durch zu viel Führungslosigkeit, durch unklare Rollen, durch ständige Unterbrechungen im Arbeitsfluss. Wir haben das Thema dann nicht als Gesundheits-, sondern als Organisationsentwicklungsprojekt aufgesetzt. Mit Erfolg.

Drei Prinzipien für wirksame Gesundheitsförderung aus HR

1. Gesundheit beginnt im System, nicht beim Individuum.

Die klassischen BGM-Angebote wirken selten nachhaltig, wenn die Ursachen strukturell sind. Wer Pausenräume einrichtet, aber gleichzeitig eine Kultur fördert, in der Mittagspausen verpönt sind, fördert Zynismus, keine Gesundheit. HR sollte mit Systemdiagnostik beginnen: Wie hoch ist der Anteil psychischer Erkrankungen? Welche Führungserfahrungen machen Mitarbeitende? Welche Belastungsspitzen gibt es, z. B. durch Peaks in Prozessen?

2. Führung ist Gesundheitsfaktor Nummer eins.

Gesundheitsförderung ist kein HR-Solo. Sie gelingt nur mit und durch Führungskräfte. Deshalb müssen Führungskräfte sensibilisiert, qualifiziert und beteiligt werden. In einem unserer Projekte haben wir das Thema „gesund führen“ nicht als Trainingsreihe, sondern als Führungsdialogreihe mit echten Fällen eingeführt. Der Effekt: weniger Widerstand, mehr Praxisbezug, bessere Wirkung.

3. Gesundheit muss in die HR-Prozesse integriert werden.

Bewerbungsprozesse, Onboarding, Zielgespräche, Entwicklung – überall kann Gesundheit mitschwingen, wenn man es bewusst einbaut. Wir arbeiten inzwischen mit einem „Health Check-in“ in Feedbackgesprächen. Eine simple Frage: Was brauchst du, um langfristig gesund und motiviert zu arbeiten? – mehr braucht es oft nicht, um das Thema aus der Tabuzone zu holen.

Warum HR dabei den Takt vorgibt

HR hat die Chance – und die Verantwortung –, Gesundheitsförderung systemisch zu denken. Es geht nicht darum, Programme zu machen, sondern Verhältnisse zu gestalten. Es geht um gesunde Arbeit, nicht um gesunde Menschen. Das ist ein Unterschied.

Wenn HR Gesundheit strategisch verankert – etwa in der Führungsentwicklung, im KPI-System, im Kulturkompass – dann wird sie zum echten Erfolgsfaktor. Und ja, manchmal gehört dazu auch der Obstkorb. Aber nur als Symbol, nicht als Substanz.

Abschließend: Drei Empfehlungen zum Weiterlesen

IZA: Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz – Ursachen und Handlungsmöglichkeiten

Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung: Gesundheitsreport 2024

BAuA: Arbeitswelt im Wandel – Zahlen, Daten, Fakten

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